Im Oktober 2014 erschien die Ausgabe Nummer 30 des Waldalgesheimer Heimatmagazins, die so richtig ins damalige Oktoberwetter passte: Hohe Niederschläge, kühle Temperaturen, geringere Sonnenstunden als im Monatsdurchschnitt, in Höhen von mehr als 800 m bereits erster Schneefall und dann die Ankündigung von Kurt Hochgesand, als verantwortlicher Redakteur des Heimatmagazins seine Tätigkeit zu beenden. Das war ein Donnerschlag, wenngleich die Wetterleuchten schon einige Zeit zurücklagen. Kurt Hochgesand hatte nach 15 Jahren verantwortlicher Leitung in dieser Ausgabe eine beeindruckende Bilanz gezogen aber auch schweren Herzens feststellen müssen, dass die Aussichten für eine Fortführung nicht gegeben sind. Diese Aussage war klar und kantig, wie die Quarzite, die er über Jahrzehnte als Heimatforscher gesammelt hatte. Eine Feststellung, die unmissverständlich war und die treffen sollte. Und sie tat es, im Vereinsvorstand der Heimatfreunde aber auch im Kreis der Mitglieder. Natürlich hatte man Verständnis, denn Kurt Hochgesang stand im 8. Lebensjahrzehnt, ein Alter in dem viele schon in der Phase des „Kürzertretens“ stehen, mehr oder weniger lang.
Sein Signal wurde erkannt und es war ein Glücksfall, dass sich zeitnah ein Redaktionsteam fand, das die Arbeit aufnahm, um mit neuem Konzept und Layout dieses Heimatmagazin fortzuführen, das bei den Mitgliedern der Heimatfreunde Waldalgesheim und Genheim mittlerweile eine begehrte Lektüre geworden ist und auch über die Grenzen der Gemeinde großen Zuspruch findet. Dieses Heimatmagazin war und ist unverzichtbar. Deshalb gilt auch dem neuen Team ein herzliches Dankeschön für die Bereitschaft das fortzusetzen, was Kurt Hochgesand begründet hat. Ihn wird es am allermeisten freuen, dass seine Initiative, die 15 Jahre zurückliegt, auch künftig Bestand haben wird.
So bin ich der Bitte des neuen Redaktionsteams gerne nachgekommen als Vorsitzender der kulturhistorischen Vereinigung der Heimatfreunde am Mittelrhein für diese besondere Ausgabe des Waldalgesheimer Heimatmagazins einen Beitrag zu schreiben, der auf eine Ära zurückblickt aber auch einen kleinen Ausblick geben soll. Dass man mir dies angetragen hat, ehrt mich. Es gibt mir die Gelegenheit diese Lebensleistung von Kurt Hochgesand zu würdigen.
In unserer Vereinigung der Heimatfreunde am Mittelrhein ist er über 30 Jahre Autor vieler Beiträge aus der Geschichte der Region. Hier gab es zwischen uns die ersten Begegnungen, die über die Jahre zu einer tiefen Freundschaft und hohen Wertschätzung führten. So war es mir persönlich eine große Freude, als ich ihn am 6. Mai 2011 mit dem Heimatliteraturpreis auszeichnen durfte. In der kunstvoll gestalteten Urkunde heißt es
„Die Vereinigung der Heimatfreunde würdigt mit dieser Auszeichnung das vorbildliche Schaffen zur Erforschung der heimatlichen Geschichte, heimatlichen Brauchtums bis hin zu literarischen Beiträgen in Mundart, für seine Heimatgemeinde und ihr Umfeld. Der Literaturpreis wird Persönlichkeiten für besonderes Wirken um kulturelle Güter und Werte der Heimat in Wort und Schrift zuerkannt. Der Preisträger Kurt Hochgesand hat durch seine vielfältigen Aktivitäten der Mittelrheinischen Kulturlandschaft und den Zielen unserer Vereinigung hervorragende Dienste geleistet.“
Bereits als Jugendlicher fand Kurt Hochgesand an geschichtlichen Bodenfunden großes Interesse, die den Forschersinn in ihm weckten. Nach ersten guten Fundstücken in der näheren Umgebung von Waldalgesheim weitete er seine Suchgänge aus. Seit er sich mit seiner Heimatgemeinde und deren reicher Geschichte befasste, stieg er mit jedem Jahr tiefer und tiefer in diesen geschichtlichen Raum ein. Er hielt es vermutlich mit Winston Churchills „Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man schauen“. Das fing mit der vor- und frühgeschichtlichen Zeit an, er sammelte geheimnisvolle Feuersteine, ging den Rätseln der Kelten nach, erforschte das alte Knappendorf und beschrieb seinen Wandel nur Neuzeit, beschrieb die Kirchen der Gemeinde als Denkmäler an das untergegangene Dorf. Er dokumentierte den Erzbergbau in Waldalgesheim hat viele Zeitzeugen dieser wichtigen gemeindlichen Epoche befragt und ihre Aussagen festgehalten. Eine Chronik der Kriegsjahre erstellte er, eine ungeheure Fleißarbeit, die Gemarkungs- und Feldkreuze brachte er den Menschen nahe wie die Straßen und Wege, deren Namen und Ursprüngen er ans Licht brachte. Überaus sorgfältige und gründliche Recherchen wurden ihm immer wieder von fachkundiger Seite attestiert. Die Themenvielfalt der Beiträge, die aus seiner Feder stammen, besticht. Bunt, farbig und sachkundig, quasi „Rund wie e Kitzel“, wie einer seiner Beiträge einmal titelte, sind seine literarischen Werke, selbst wenn er alte „Geschichte“ an den Leser der Gegenwart heranträgt. Seine Beiträge sind in einer verständlichen Sprache, gleichwohl mit wissenschaftlicher Unterlage, verfasst. Dass er für den Leser schreibt, hat das Heimatmagazin zu einem begehrten Vademecum werden lassen. Menschen, die wir verstehen und die uns verstehen. Diese Aussage des Schweizer Schriftstellers Max Frisch findet sich bei einem Blick auf sein Schaffen eindrucksvoll belegt. Ob ich an seine Texte über Waldalgesheimer Moschtbeere, Gemeene Beere denke oder mich mit Allesemer Wellebengel befasse. Er hat vieles vor dem Vergessen bewahrt und wurde dadurch zu einem vorbildlichen und engagierten Sachwalter der heimatlichen Geschichte, des heimatlichen Brauchtums, das er auch durch eigene Beiträge in Mundart bereichert.
Sein Credo könnte lauten: Vergangenheit ist Geschichte und die Zukunft ist ein Geheimnis, denn er blickt mitunter in gebotener Zurückhaltung auch in diese Richtung, weil er mit seinen Beiträgen dem Leser einen eigenen Blick eröffnen möchte. Die Gegenwart ist für ihn ein Füllhorn geschenkter Augenblicke, so wie er in seinen mundartlichen Beiträgen tiefgründig, schmunzelnd auch einmal den Humor aufblitzen lässt, wissend, dass jeder Augenblick ein Geschenk ist. Thomas Macaulay schreibt: „Kein Mensch, der über die Vergangenheit genau Bescheid weiß, wird die Gegenwart düster oder verzagt sehen“, so möchte ich auch schließen mit einen Text von Kurt Hochgesand selbst, den er als „Vermächtnis“ (1996 ) überschrieben hat:
So ist nun der Geschichte Gang
Man sucht und forscht ein Leben lang,
und plagt und fordert sich genug
und ist am Ende doch nicht klug.
Da sind eigene geforschte Quellen,
Da ist Verbindung herzustellen,
hauptsächlich durch Analogien
Auch Fremdes in Betracht zu ziehen.
Den Schluss zu finden ist nicht leicht
Als dass ein Lebensalter reicht,
so werden tausend offene Fragen
auf die Erben übertragen.
Den Erben Erbe ist: dem Leben
Genau denselben Sinn zu geben.
Suchen, forschen, fragen, fragen
Und hören, was uns Steine sagen.
Diesen Vers möchte ich auch den „Erben“ in der Redaktionsleitung des Waldalgesheimer Heimatmagazins mitgeben. Dann werden wir– um mit einem Buchtitel von Kurt Hochgesang zu sprechen – „Im Laufe der Zeiten…“ noch viele Ausgaben des Heimatmagazins in den Händen halten. Der neuen Mannschaft wünsche ich Ideenreichtum, ein leidenschaftliches Suchen und Forschen in der reichen Geschichte des ehemaligen Knappendorfes, dass sie aber auch die Weiterentwicklung der Zukunftsgemeinde Waldalgesheim engagiert begleiten und ein herzliches Glückauf obendrein.
Adam J. Schmitt
Erster Vorsitzender der kulturhistoríschen
Vereinigung der Heimatfreunde am Mittelrhein e.V.